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Kapitel 26 - Die Oberin ruft...

  Der Brief tr?gt unverkennbar das Siegel der Oberin, ein Pferdekopf mit wehender M?hne und aufgerissenem Maul.

  Die Oberhexe hatte sich Zeit gelassen. Es war fast zwei Wochen her, seit die Fürstin ihren Brief abgesandt hatte und mit der Zeit war langsam die Sorge aufgekommen, dass der Brief unterwegs verloren gegangen sein k?nnte.

  Aber das war nicht passiert, denn jetzt h?lt sie die Antwort auf ihr Schreiben in den H?nden.

  Etwas z?gerlich, bricht sie das Siegel und zieht das einseitig beschriebene Stück Papier heraus. Der Text ist kurz, beansprucht nicht einmal die H?lfte der Seite und so brauchen ihre Augen nur einige paar Male über die Zeilen zu fliegen. Der Inhalt des Schreibens beschr?nkt sich auf einige Glückwünsche, ein kurzes Lob, die Anweisung schnellstm?glich mit dem Gefangenen anzureisen und einer unausgesprochenen Vereinbarung.

  Der Elf wird im Palast der Oberin sterben.

  Bereits seit dem Morgengrauen laufen Ritter und Bedienstete gesch?ftig durch die G?nge des Herrenhauses. Einige bereiten Proviant vor, andere suchen passende Kleidung für den Anlass. Die Pferde werden getr?nkt, gefüttert und anschlie?end gesattelt.

  Die Fürstin beobachtet die Szene am Hof aus ihrem Arbeitszimmer.

  Es wird ein langer Weg werden. Bis zum Winterwohnsitz der Oberin sind es mindestens drei Tagesreisen. Vielleicht w?re es einfacher gewesen, die Oberin nach Karkov einzuladen und im Nachhinein schimpft sich die Fürstin dafür, es nicht bereits im ersten Brief vorgeschlagen zu haben. Aber dafür ist es jetzt zu sp?t. Die Oberin hatte die Fürstin angewiesen, den Gefangenen in ihr Schloss zu bringen und das musste jetzt durchgeführt werden.

  Ihre Ritterin packt sie am Arm und holt sich so Rheas Aufmerksamkeit zurück. Diese seufzt nur und erkl?rt dann: “Nein, Ruby, es geht mir gut, versprochen.”

  Doch ihre Geschworene l?sst sich nicht so einfach abweisen. Und sie macht ihrer Fürstin mit einigen sehr nachdrücklichen Gesten erneut ihre Sorge klar.

  “Nein, das wird nicht passieren. Au?erdem bist du ja auch dabei.”

  Ruby wirft frustriert die H?nde in die Luft und antwortet dann erneut in Zeichensprache.

  “Natürlich k?nntest du das auch g?nzlich für mich übernehmen. Ich bin mir sicher, dass du die Horden an betrunkenen Rittern noch besser in den Griff bekommen würdest als ich. Aber da muss ich dabei sein.”

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  Ihre Geschworene will sofort etwas erwidern, doch die Fürstin nimmt ihr das Wort: “Und nein, verschieben kommt nicht in Frage. Au?erdem ist das auch nicht n?tig. Mir geht es blendend.”

  Ein leises Klopfen unterbricht Ihre Unterhaltung und als sich die Fürstin umdreht, sieht sie einen ?lteren Herren im Türrahmen stehen.

  Ruby wirft ihr noch einen letzten scharfen Blick zu, bevor sie an dem Mann vorbei in den Gang hinaus tritt.

  “Ritter Lorenz, vielen Dank, dass Sie gekommen sind.”

  Der ehemalige Geschworene ist schon seit geraumer Zeit kein aktiver Ritter mehr. Er nimmt nicht an Turnieren oder Jagden Teil und ist der Fürstin auch nicht verpflichtet. Dennoch kommt er ihren Bitten immer nach und scheint sich sogar darüber zu freuen. Es muss schwer sein, das ganze Leben als Geschworener zu verbringen und sich zum Schluss eingestehen zu müssen, dass man zu alt und gebrechlich geworden ist. Deswegen, aber vor allem auch wegen seiner langj?hrigen Erfahrung und seinem wachen Geist, versucht Rhiscea ihn immer wieder ins Geschehen mit einzubinden.

  Er grü?t die Fürstin mit einem würdevollen Nicken.

  “Aber natürlich, Lady Rhiscea.”

  Kurz verwandelt sich der herzlich warme Gesichtsausdruck des Mannes in ein spitzbübisches L?cheln.

  “Wie k?nnte ich nein zu einer Bef?rderung sagen, sei sie auch zeitlich begrenzt.”

  Sein L?cheln ist ansteckend und so zucken sogar die Mundwinkel der Fürstin.

  “Kann ich darauf vertrauen, dass Sie mit den meisten Aufgaben eines Fürsten vertraut sind?”

  “Ich war doch hoffentlich nicht umsonst 40 Jahre lang im engsten Kreis und rechte Hand von zwei Generationen an Fürsten.”

  “Natürlich”, best?tigt Rhiscea.

  Kurz legt sich ein abwesender Blick auf das Gesicht des Ritters und er fügt betrübt hinzu: “Ich sollte mich freuen, noch eine dritte Generation erleben zu dürfen. Aber Albert wurde uns viel zu früh genommen.”

  Einen Moment lang verbringen beide schweigend in Erinnerung an Rhisceas Vorg?nger, dann blinzelt der Ritter und verschiebt seine Gedanken wieder in die Gegenwart.

  “Nun, ich will Sie nicht mit den Sentimentalit?ten eines alten Mannes aufhalten. Haben sie eine gute Reise.”

  “Danke”, mit einer angedeuteten Verbeugung verabschiedet sich die Fürstin und verl?sst das Zimmer.

  Als Rhiscea auf den Hof des Herrenhauses tritt, sind bereits zwei Ritter dabei, den Elfen zu einen Gefangenenwagen zu führen. Beziehungsweise eher in die Improvisation eines Gefangenenwagens, die einige von Rhisceas Rittern in der knappen Zeit entworfen haben. Es ist eigentlich nur ein gew?hnlicher, offener Pferdewagen, an den ein h?lzerner Schandkorb mit einigen Seilen festgeschnürt wurde. Der Anh?nger ist gro? genug, dass au?erdem noch einige Gep?cksstücke darauf geladen werden k?nnen. Zwei braune Rosse sind bereits vor dem Gef?hrt eingespannt.

  Rhiscea beobachtet, wie sich der Elf verkrampft, als er an den Pferden vorbei zu dem Wagen und der portablen Gef?ngniszelle geführt wird. Aus dieser Entfernung h?tte Rhea die kaum merkliche Regung nicht bemerkt, h?tten sich die gro?en Flügel des Elfen nicht um ein Stück zusammengezogen.

  Er ist wohl wenig begeistert von dem klapprigen, engen K?fig, stellt die Fürstin fest. Kein Wunder, denn der Korb ist gerade noch breit genug, dass der Elf sich setzten kann, ohne dabei mit seinen Knien an den Gitterst?ben h?ngen zu bleiben.

  Es wird für keinen der Beteiligten eine angenehme Reise werden.

  N?chstes Kapitel: 14.01. “…wir folgen”

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